«Früher dachte ich, dass Teilzeit auf dem Bau nicht möglich ist»
Noch vor Kurzem hätte sich Max Winiger nicht vorstellen können, Teilzeitarbeit zu fördern. Heute denkt er ganz anders. Der Unternehmer aus Rapperswil-Jona zu Hemmschwellen, Wandel und Chancen, die sich daraus ergeben.
Veröffentlicht am: 25. Juni 2021
Entweder Vollzeit oder gar nicht, fasst Max Winiger seine frühere Haltung zusammen. «Die Jongliererei von Leuten empfand ich als lästig.» Er war der Meinung, dass Teilzeitarbeit auf dem Bau nicht möglich sei. «Viel zu aufwändig und finanziell nicht lukrativ», lauteten seine Vorurteile. Der Unternehmer begann sich trotzdem mit dem Thema zu befassen, weil sich Mitarbeitende dafür interessierten. Ein weiterer Aspekt war der Fachkräftemangel. «Es wird schwierig, qualifizierte und motivierte Mitarbeitende zu finden», erklärt Max Winiger. «Langfristig kommt man um das Thema Teilzeitarbeit nicht mehr herum.»
Als er im Frühjahr 2019 die Ausschreibung der Teilzeitförderprojekte sah, meldete er sich an. «Das Projekt kam im richtigen Moment. Es war wichtig für mich, mitzuziehen», erzählt der 57-jährige, der das Familienunternehmen bereits in der vierten Generation führt. Dann fragte eine ehemalige Arbeitskollegin des Sohnes um eine 20%-Stelle an, weil sie nach der Mutterpause wieder in den Beruf einsteigen wollte. Max Winiger stellte sie ein. Und hat den Entscheid nicht bereut: «Es ist eine Win-Win-Situation», sagt er heute dazu. Die Malerin sei sehr motiviert, weil ihr Arbeitstag für sie eine Art «freier Tag» neben den Mutterpflichten sei. «Sie trägt diese Motivation ins Team hinein», sagt der Unternehmer. Das sei ein sehr positiver Aspekt, den er unterschätzt habe.
Einen weiteren Vorteil der Teilzeitstellen sieht der Unternehmer in der zusätzlichen Flexibilität. «Dadurch sind wir an gewissen Tagen stärker unterwegs und können Kapazitäten auffüllen», erklärt Max Winiger, «nicht als Notnagel, sondern als Ergänzung.» Und die Nachteile? «Da muss ich mittlerweile zur Kenntnis nehmen, dass es gar nicht so viele gibt», antwortet Max Winiger und lacht. «Ich bin Fan geworden von Teilzeitarbeit.» Es gäbe einen Mehraufwand in der Administration, und einen zusätzlichen Koordinationsaufwand bei Arbeitsübergaben. Aber das habe man auch, wenn jemand krank sei. Und mit etwas mehr Disziplin und Bewusstsein für Kommunikation könne man diesen Aufwand auch reduzieren.
Das Umdenken, das bei ihm stattgefunden habe, habe zu mehr Offenheit geführt, erklärt der Unternehmer. «Ich studiere an neuen Modellen herum.» So habe sich letzthin jemand beworben, der noch parallel in einem Landwirtschaftsbetrieb tätig sei. Früher hätte er von Anfang an abgesagt. Aber jetzt prüfe er, ob das interessant sein könnte. Auch habe er einen temporären Mitarbeiter, der jeweils im Winter nach Asien gehe. Vielleicht liesse sich auch hier eine Teilzeitlösung finden? «Das wäre für beide eine gute Geschichte.» Denn der Mitarbeiter wäre auch lieber festangestellt.
Seine Offenheit für Teilzeitarbeit kommuniziert der Unternehmer auch intern, zum Beispiel bei Mitarbeitendengesprächen. «Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden wissen, dass sie sich bei Interesse bei mir melden können.» Früher hätten alle zwei Monate Teamsitzungen stattgefunden, wo solche Themen auch diskutiert wurden. Corona habe das Ganze gebremst, so Max Winiger. Momentan arbeiten von den rund 20 Mitarbeitenden vier Teilzeit: zwei aus Weiterbildungsgründen (je 60%), ein Maler im Rahmen des VRM (20%) und die bereits erwähnte Malerin mit Familienpflichten (20%).
Jetzt, wo mit dem Sohn bald die fünfte Generation bereit ist, den Familienbetrieb zu übernehmen, kann sich der Unternehmer vorstellen, in Zukunft selbst zu reduzieren. Er freut sich darauf, falls er dann wieder mehr auf die Baustelle gehen und das machen kann, was er an seinem Beruf mag: «Sachen verschönern, Beratung, Verkauf.»
Betreffend Teilzeitarbeit spürt Max Winiger einen Unterschied zwischen den Generationen. Ältere Mitarbeitende seien zu Beginn skeptischer gewesen. «Aber es wird immer selbstverständlicher. Das ist auch für das Team total gut.» Er achtet darauf, dass er die Malerin, die nur einen Tag pro Woche im Betrieb ist, jeweils mit verschiedenen Teams einsetzt. Damit sie im ganzen Team integriert ist. Der Unternehmer zieht eine Parallele zum steigenden Frauenanteil: Bis vor zehn Jahren hatten sie keine Frauen, jetzt arbeiten sechs Malerinnen im Unternehmen. «Das hat auch eine Kulturauffrischung gegeben.»
Und was sind seine Empfehlungen an andere Unternehmen? «Die Hemmschwelle überschreiten und ausprobieren», sagt Max Winiger. «Sich dann am Positiven freuen und Chancen nutzen», so der ehemalige Skeptiker, der zum Fan von Teilzeitarbeit geworden ist. «Wer es nicht probiert, verpasst etwas.»
Teilzeitförder-Unternehmen
Die Winiger Maler Gipser AG aus Rapperswil-Jona beteiligt sich an den Teilzeitförderprojekten.