«Nur positive Erfahrungen»

Seit bald zwei Jahren führen Ursula Baumann und ihre Tochter Carole Maurer-Baumann den Familienbetrieb im Jobsharing. Sie setzen sich dafür ein, dass solche Modelle in Zukunft zum Alltag gehören.

Veröffentlicht am: 30. Oktober 2020

Die Kundschaft habe hocherfreut auf das Jobsharing reagiert, erklärt Ursula Baumann. Auch intern bei den Mitarbeitenden sei die Co-Leitung gut aufgenommen worden, so die Inhaberin des über hundertjährigen Familienbetriebs, den sie seit Februar 2019 zusammen mit ihrer Tochter Carole Maurer-Baumann leitet - die Mutter mit einem 60%-Pensum, die Tochter mit 40%. Für Ursula Baumann selbst stellt das Jobsharing eine Erleichterung dar. «Mit Jobsharing wird die Einsamkeit der Chefs durchbrochen. Wir fällen Entscheide gemeinsam und tragen sie auch gemeinsam», bringt sie den aus ihrer Sicht positivsten Aspekt auf den Punkt. Hinzu komme, so Ursula Baumann, dass sie ohne Last auf den Schultern frei machen könne und erholter zurückkomme. Die 68-jährige führt das Malergeschäft seit den 1980er Jahren. Zuerst zusammen mit ihrem Mann, nach dessen plötzlichem Tod vor 6 Jahren alleine, und nun seit bald zwei Jahren zusammen mit der Tochter.

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«Mit Jobsharing wird die Einsamkeit der Chefs durchbrochen. Wir fällen Entscheide gemeinsam und tragen sie auch gemeinsam.»

Ursula Baumann, Inhaberin und Co-Geschäftsleiterin Malergeschäft E. Baumann AG

Auch für Carole Maurer-Baumann bedeutet die Co-Leitung eine «Win-Win»-Situation, von der beide Seiten profitieren. Bis zur Geburt ihres Sohnes vor zwei Jahren hatte sie 20 Jahre in der Hotellerie gearbeitet, zuletzt 10 Jahre in der Geschäftsleitung eines 5-Sterne-Hotels. Da es nicht möglich war, in dieser Funktion Teilzeit zu arbeiten, kehrte Maurer-Baumann der Hotellerie den Rücken und stieg in die Geschäftsleitung des Familienbetriebs ein. «So kann ich in verantwortungsvoller Funktion weiterarbeiten und Familie haben», erklärt die 41-jährige. Der Wechsel ins Malergewerbe habe ihr keine Schwierigkeiten bereitet, denn die Arbeitsinhalte seien die gleichen: Marketing, Personalwesen, Buchhaltung. Ausserdem sei sie von klein auf als Teil der Familie in der Firma mit dabei gewesen. «Viele Leute kennen mich schon, seit ich ein Kind war.»

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«Mit Jobsharing kann ich in verantwortungsvoller Funktion weiterarbeiten und Familie haben.»

Carole Maurer-Baumann, Co-Geschäftsleiterin Malergeschäft E. Baumann AG

Gegen aussen treten die beiden Frauen «als Doppelpack» auf, erklärt Carole Maurer-Baumann. Briefe unterschreiben sie gemeinsam und sie nehmen nach Möglichkeit auch zusammen an Anlässen wie Wirtschaftsforen teil. Und auch gegen innen, den Mitarbeitenden gegenüber, treten sie als «eine Person auf, die eine Stelle gemeinsam besetzt», ergänzt Ursula Baumann. Die Übergabe der Arbeit machen die Co-Geschäftsleiterinnen schriftlich und mündlich. «Am Anfang haben wir zu wenig miteinander kommuniziert», so Carole Maurer-Baumann. Jetzt telefonieren sie zwei- bis dreimal täglich. Etwa alle zwei Wochen sitzen sie auch vor Ort zusammen.

«Ehrlichkeit, Vertrauen und die gleichen Werte sind essenziell für Jobsharing.»
— Carole Maurer-Baumann, Co-Geschäftsleiterin Malergeschäft E. Baumann AG

Natürlich bestehe die Gefahr, wie bei allen Schnittstellen, dass man vergesse, etwas mitzuteilen, erklärt Ursula Baumann. Und dass daraus dann Fehler passieren, das liege in der Natur der Sache. «Wichtig ist, dass man sich Fehler dann nicht gegenseitig vorhält, sondern am gleichen Strick zieht.» Wenn Fehler passieren, dann diskutieren sie das untereinander, ergänzt die Tochter. «Aber gegen aussen vertreten wir einen Wert und eine Haltung.» Überhaupt seien die gemeinsamen Werte grundlegend, führt Carole Maurer-Baumann weiter aus. «Ehrlichkeit, Vertrauen und die gleichen Werte sind essenziell für Jobsharing.»

«Teilzeitarbeit und Jobsharing sind Zukunftsmodelle.»
— Ursula Baumann, Inhaberin und Co-Geschäftsleiterin Malergeschäft E. Baumann AG

Für die beiden Co-Leiterinnen ist klar, dass Jobsharing und Teilzeitarbeit «Zukunftsmodelle» sind, die ermöglicht werden sollen. Deshalb beteiligt sich der traditionsreiche Familienbetrieb, der nun gemeinsam von der dritten und vierten Generation geleitet wird, auch am Projekt Teilzeitbau. Stelleninserate schreiben die Co-Geschäftsleiterinnen mit der Ergänzung «Teilzeit möglich» aus. Und Mitarbeitende, die das wünschen, können Teilzeit arbeiten. Egal ob wegen Familie, Hobby, Weiterbildung oder aus gesundheitlichen Gründen. Momentan arbeiten zwei von neun Maler/innen Teilzeit – eine Malerin zu 90% und ein Maler zu 80%. Aus Unternehmenssicht sei die Motivation der Mitarbeitenden der grösste Vorteil von Teilzeitarbeit, erklärt Ursula Baumann. Zwar bedeute es eine grössere Herausforderung, den Einsatzplan zu machen. «Aber das ist eine Herausforderung, kein Nachteil», fügt sie sofort hinzu.

«Es braucht mehr Jobsharing in Geschäftsleitungen. Dann würde es auch weniger Burnouts geben.»
— Carole Maurer-Baumann, Co-Geschäftsleiterin Malergeschäft E. Baumann AG

Mutter und Tochter sind vor allem auch die gleichstellungspolitischen Aspekte von Teilzeitarbeit wichtig. Es gebe so viele gut ausgebildete Frauen, so Ursula Baumann. «Aber weil wir immer noch in einer konservativen Gesellschaft leben, bleiben bei einer Familiengründung meistens die Frauen daheim.» Teilzeitarbeit könne helfen, dass Frauen nicht ganz weg vom Markt seien. «Es muss doch Möglichkeiten geben, dass motivierte Frauen wieder zurück in den Job gehen können», ergänzt Carole Maurer-Baumann. Und sie bedauert, dass es «viel zu wenig» Jobsharing in Geschäftsleitungen gebe. Zwar würden alle von «Work-Life-Balance» sprechen, vom Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben, aber auf Geschäftsleitungsebene existiere das kaum. In ihrer vorherigen Stelle habe sie weit über 100% gearbeitet. «Kein Wunder gibt es so viele Burn-Outs», fügt sie hinzu.

Die zukünftige Gesellschaft sei angewiesen auf Teilzeitarbeit, auch für Männer, sind sich die beiden Frauen einig. «Damit Frau und Mann Familie und Beruf gemeinsam unter einen Hut bringen können», bringt es Ursula Baumann auf den Punkt.

 
Leben das «Zukunftsmodell» Jobsharing vor: Carole Maurer-Baumann (links) und Ursula Baummann, Co-Geschäftsleiterinnen Malergeschäft E. Baumann AG.

Leben das «Zukunftsmodell» Jobsharing vor: Carole Maurer-Baumann (links) und Ursula Baummann, Co-Geschäftsleiterinnen Malergeschäft E. Baumann AG.

 

Teilzeitförder-Unternehmen

Das Malergeschäft E. Baumann AG aus Bürglen und Weinfelden beteiligt sich an den Teilzeitförderprojekten.

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